Der nackte Wahnsinn
"Der nackte Wahnsinn" (Noises Off) erlebte 1982 in England seine Uraufführung und befindet sich seitdem auf einem bemerkenswerten Siegeszug durch die Theater des angelsächsischen Raums. Seit einigen Jahren wird die Komödie auch an renommierten Bühnen Europas erfolgreich gespielt, so am Schauspielhaus Zürich und eben jetzt hier in Andelfingen. Gezeigt wird Theater im Theater: Eine mittelprächtige Schauspielgruppe, "The Marmelade-Group", spielt den unbedeutenden Schwank "Nichts ist los" von einem gewissen Robin Housemonger; das heisst, sie versucht es. Im ersten Akt erleben wir die Hauptprobe. Erfahrungsgemäss klappt nichts. Zu den Tücken mit dem Text gesellen sich jene mit den Requisiten, mit den Auf- und Abgängen. Mit aufgesetzter Freudlichkeit kaschieren die Akteure die Spannungen innerhalb der Truppe, ihre Animositäten, ihre Antipathien aber auch Sympathien, die sie für einander hegen. Der Regisseur steht kurz vor einem Infarkt. Im zweiten Akt sieht der Zuschauer die ungefähr 53. Vorstellung, eine für Rentner. Das Bühnenbild wurde gedreht, man erlebt, was sich hinter den Kulissen so alles abspielt. Und das ist nicht wenig! Durch die lange Zusammenarbeit haben sich die menschlichen Probleme innerhalb der Truppe verschärft. Eifersüchteleien, Sabotageakte, Troztreaktionen lassen die laufende Aufführung beinahe scheitern. Der dritte Akt zeigt die 271. Vorstellung. Es könnte auch die 313. sein. Jedenfalls ist das Stück kaum mehr zu erkennen. Mit qualvollen Improvisationen versuchen die Spieler, das Ganze doch noch zu einem halbwegs guten Ende zu bringen. Reizvoll für das Publikum sind dabei die Kenntnisse aus dem ersten und dem zweiten Akt.
Peter Steinmann